Es war einmal….

 

Um das Wesen eines Hundes und das, was die jeweilige Rasse eigentlich ausmacht, etwas besser zu verstehen, macht es oftmals Sinn, auch einen Blick auf sein Herkunftsland und dessen Geschichte zu werfen.

Gerade beim Irish Terrier wird dem geneigten Leser dann vermutlich schnell klar, warum ein Irish kein Hund für jedermann ist und daher auch mitunter stark polarisiert: die einen mögen ihn aufgrund seines selbstbewussten, stolzen und bisweilen arrogant erscheinendem Äußeren, der „böse Blick“ und die Spannung in seinem athletischen Körper weist stets darauf hin, dass er „allzeit bereit“ ist – zu allem!

Und die anderen mögen ihn aus genau den gleichen Gründen eben nicht! Da ist nichts „Niedliches“, Trotteliges in seiner Erscheinung und jegliche Anhänger der „Kindchen-Schema-Hunde“ suchen letzteres vergeblich, sind eher abgeschreckt von der mitunter durchdringenden Schärfe und dem vielseits gepriesenen Feuer in seinem Gesichtsausdruck.

 

Um die Geschichte des Irish Terriers ranken sich viele Mythen und über den tatsächlichen Ursprung der Rasse bzw. die Wurzeln gibt es lediglich bedingte Erkenntnisse, da Vieles auf mündliche Überlieferung beruht.

Als Fakt kann man allerdings von seiner irischen Herkunft ausgehen und davon, dass die Rasse so, wie wir sie heute kennen, um ca. 1880 aus verschiedenen regionalen Terrierrassen Irland`s entstanden ist.

Wirft man nun einen Blick auf dieses gemeinhin als „die grüne Insel“ bekannte Land, wird einem schnell klar, dass diese grüne Insel zur damaligen Zeit – wie auch heute – nur wenig mit dem gemein hatte, was uns das Fernsehen in einem allseits bekannten Werbespot über eine bekannte irische Markenbutter zeigen möchte!

Nicht, dass es die grünen, saftigen Wiesen nicht gab, jedoch gab es in Irland auch stets Armut, wenig besiedelte Landstriche, raues Klima, Hungersnöte und eine nahezu endlose Aneinanderreihung mehr oder weniger politischer Kriege, mit all den dazu gehörigen Grausamkeiten, die das Land auf eine ganz eigene Art geprägt haben. Irland, diese arme Insel, wo es nach Ansicht von Cromwells Gewährsmännern „nicht genug Holz gab, einen Mann zu hängen, nicht genug Wasser, ihn zu ersäufen und nicht genug Erde, ihn zu begraben“, eine spröde Insel, wo die Menschen rauer, zäher, unberechenbarer, aber vielleicht auch intensiver sind als auf dem Kontinent, Irland und die Iren haben diesen Hund in zwei Jahrtausenden zu dem gemacht, was er heute noch ist.

In einem solchen Land gab es keinen Platz für verhätschelte Schoß- und Gesellschaftshündchen, die außer zur Unterhaltung keinerlei Nutzen hatten, deren verzärteltes Haarkleid weder dem rauen Klima, noch den rauen Sitten standhalten konnten. Hier war es von Nöten, widerstandsfähig zu sein, sich unter widrigen Umständen durchsetzen zu können, sich mit wenig zufrieden geben zu können und auf das zu setzen, was einem zumindest geringen Schutz bot und das eigene Überleben sicherte: eine soziale Gemeinschaft, die oftmals nicht viel mehr besaß, als sich selbst!

Um hier zu überleben brauchte es Charakterstärke und die Fähigkeit, sich von widrigsten Umständen nicht unterkriegen zu lassen, wozu vermutlich auch die Eigenschaft zählt, trotz der genannten schlechten Lebensbedingungen sich eine gewisse Art von Humor, Würde und Stolz zu bewahren

 

War er ursprünglich ein „Hund der armen Leute“, der sich vom Wesen und seiner äußeren Erscheinung gut den eher rauen Verhältnissen der damaligen Zeit und Umgebung anpassen musste, erhielt der Irish Terrier trotz alledem um 1876 den ersten Einzug ins Ausstellungsleben, so dass wenig später auch die ersten „Rassestandards“ beschrieben wurden.

Fasst man die damaligen „Fakten“ zusammen, ergab sich ein hochläufiger Terrier mit drahtigem, aber dennoch elegantem Erscheinungsbild, der aber dennoch als Arbeitshund („working terrier“) gezüchtet wurde und die dafür notwendigen Vorraussetzungen mitbrachte: temperamentvoll, selbstbewusst, menschenbezogen, ausdauernd, energiegeladen, körperlich unempfindlich, aber mit einer präzisen, sensiblen Wahrnehmung seiner Umwelt, was ihm jederzeit blitzschnelles Reagieren ermöglicht.

Der Vollständigkeit halber darf hier auch sein Draufgängertum und eine gewisse Schärfe nicht verschwiegen werden, ebenso seine Affinität zu Wild, war es doch eine seiner Aufgaben, Haus und Hof von Kleintier frei zu halten….

Gleichzeitig wird er jedoch bereits in alten Rassestandards stets als sehr loyal und umgänglicher Haushund beschrieben:

„Dogs that are very game are usually surly or snappish. The Irish Terrier, as a breed, is an exception, being remarkably good tempered, notably so with mankind, it being admitted, however, that he is perhaps a little too ready to resent interference on the part of other dogs. There is a heedless, reckless pluck about the Irish Terrier which is characteristic, and, coupled with the headlong dash, blind to all consequences, with which he rushes at his adversary, has earned for the breed the proud epithet of “The Dare Devils”.

When “off duty” they are charakterised by a quiet, caress-inviting appearance, and when one sees them endearingly, timidly pushing their heads into their master`s hands, it is difficult to realise that on occasion, at the “set on”, they can prove they have the courage of a lion, and will fight on to the last breath in their bodies.”  James Watson, “The Dog Book”, 1906

 

Oder hier nochmals in Kurzform:

 

„This dog is rather pugnacious but plucky in the extreme. Like most terriers, he is tireless, very affectionate, but the “divil” when roused.”  Stanley West, “The Book of Dogs”, 1935

 

Viele dieser Eigenschaften findet man auch heute noch bei Irish Terriern, die sorgfältig gezüchtet wurden und der Umstand, dass der Irish Terrier nie ein Modehund wurde, hat ihm vieles dieser Ursprünglichkeit bewahrt.

Daran änderte auch glücklicherweise die Verfilmung des Jack London Romans „Jerry der Insulaner“, in der der Irish Terrier „Fluffy von der Frankenlerche“ die Hauptrolle spielte, ca. Mitte der 1970er Jahre, nicht allzu viel.

Der Roman hat zum Teil auch zu dem Umstand beigetragen, dass dem Irish Terrier eine grenzenlose Loyalität und weitere, fast ausschließlich erwünschte Eigenschaften zugeschrieben werden. Was hier gern verschwiegen wird, ist aber oftmals die andere Seite der Realität, die Jack London durchaus ebenfalls beschrieben hat: „…die tapfersten, die aufsässigsten, die herausforderndsten, die jeder Gefahr trotzten, die kämpften und starben, aber nie wichen.“

 

Heutzutage wird (dadurch?) leider oftmals die „grenzenlose Loyalität“ des Iren von einigen Züchtern zu sehr in den Vordergrund gestellt, was mitunter dazu führt, dass er als sehr leichtführiger „Familienhund für jedermann“ angepriesen wird. Dabei werden seine immer noch vorhandenen Wurzeln oftmals geleugnet, was schon bei manch einem Ersthundebesitzer dazu geführt hat, die Eigenständigkeit und mitunter auch heute noch vorhandene „Schärfe“ zu unterschätzen und dem Irrglauben zu unterliegen, die Loyalität des Irish Terriers sei so etwas wie „Gott gegeben“ und entwickele sich von ganz allein auch im heimischen Wohnzimmer.

Dies ist mitnichten der Fall, denn der Irish ist bis heute ein aktiver, energievoller Hund, der eine konsequente, aber nicht „harte“ Erziehung benötigt und auch sein Charme sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass er auch „ganz anders kann“, wenn er in unkundige Hände gerät!  

Denn noch etwas kommt hinzu: diese Rasse besaß die Voraussetzungen, um der Wettlust und der Wettfreude des einfachen Mannes zu dienen; Hundekämpfe, wie sie früher üblich waren, haben die kämpferische Art, die harte Substanz der heutigen Rasse ebenfalls mitgeprägt.

 

Auch wenn viele dieser Eigenschaften heutzutage bei vielen Linien nur noch vergleichsweise gemäßigt erscheinen, sollte sich jeder Interessent vor Anschaffung eines Irish Terriers fragen, ob er seiner Variante von Jack London`s Liebling auch dann noch Loyalität entgegenbringen kann, wenn dieser den ursprünglichen Terrier „raushängen“ lässt – denn Loyalität gibt es beim Irish Terrier nie einseitig und drum prüfe, wer sich ewig schindet…..